Community-Driven Business: Sieben Handlungsfelder für die Professionalisierung des Community Managements

Die Sportbranche als Idealtypus

Der Sport ist eine besonders interessante Domäne, in der häufig Brand Communities zum Einsatz kommen. Durch ihre hohe emotionale Bindung der Fans an ihre Clubs, ist die Sportbranche der Idealtypus für Brand Communities. Passionierte Fans werden leicht Mitglied von Fan-Communities, vernetzen sich dort mit anderen Fans und interagieren mit den Inhalten der Clubs (wir haben vor einiger Zeit eine Studie vorgestellt, in der die Instagram-Inhalte von Manchester United und dem Liverpool Football Club verglichen wurden).

Der Einsatz von Brand Communities ist deshalb im Sport sicherlich intuitiver als in anderen Branchen, wie z.B. bei erklärungsbedürftigen B2B-Produkten. Vielleicht stellt der Sport also diesbezüglich einen Idealtypus dar, von dem sich andere Branchen etwas abschauen können

The rise of community-driven business

In seinem 2021 veröffentlichten Buch „The Business of Belonging“ arbeitet David Spinks heraus, dass mehr als die Hälfte der Fortune Global 50 und der 50 höchstbewerteten Startups der Welt in Community-Programme investieren. Er spricht in diesem Kontext auch von einem „Rise of community-driven business“. Darunter versteht er die Entwicklung einer neuen Gattung von Organisationen, bei denen der Community-Ansatz eine zentrale Leitidee darstellt. Diese Leitidee wird beispielsweise dadurch sichtbar, dass Produkte im Zusammenspiel mit Nutzern entwickelt werden. Als Beispiele für solche Organisationen nennt er u.a. Zappos, Amazon, Apple, Salesforce, also wichtige Player aus dem Digital Business – und auch jenseits des Sports. 

Die Zukunft des Community Managements

Um einen möglichst breiten Blick auf die Professionalisierung von Community-Aktivitäten in Organisationen zu werfen, greifen wir in diesem Artikel aktuelle Entwicklungen in den Bereichen Strategie, Organisation, Digital Business und Marketing auf und übertragen diese in die Welt der Brand Communities. Das Resultat sind sieben Handlungsfelder, die strategische, operative und technologische Dimensionen des Community Managements abbilden.

1. Outsourcing: To make or buy community?

Der erste Bereich betrifft das Outsourcing von Community-Aktivitäten. Wir beobachten in allen Bereichen des Marketings, insbesondere im digitalen Marketing, eine starke Tendenz hin zum Outsourcing verschiedener Aktivitäten. Eine Mittelstandsstudie mit Teilnehmenden des Forums Mittelstand und der DMEXCO etwa hat gezeigt, dass mehr als die Hälfte der Befragten Dienstleistungen an Agenturen auslagern. Dabei spielen Leistungen rund um die Interaktion mit Kund:innen, inklusive des Social Media und Community Managements, eine übergeordnete Rolle, auf die 50-75% des Budgets entfallen.

Welche Aktivitäten allerdings „in-house“ erbracht werden (und damit zu den eigenen Kernkompetenzen zählen) und welche zu den ausgelagerten gehören, bleibt aktuell oft unklar. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie die Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber (Brand) und Auftragnehmer (Agentur) gestaltet und entwickelt werden kann. Investitionen in Weiterbildung und Zertifizierungen, Awards und Auszeichnungen, Referenzen zu anderen Kundenprojekten und die Kommunikation von Werten können für den Aufbau von Vertrauen zwischen Brand und Agentur förderlich sein. 

2. Werte schaffen durch Communities

Viele Community-Manager:innen müssen gegenüber der Marketing- bzw. Unternehmensleitung die Investitionen in die Community rechtfertigen. Traditionell verfolgen Social-Media- und Community-Manager:innen die Ziele, die Reichweite des Unternehmens, das Engagement der Kund:innen und die Markenbekanntheit zu steigern (wie es auch eine BVCM-Studie zeigt). Oftmals handelt es sich bei diesen Kennzahlen allerdings um weiche Faktoren, die von Entscheider:innen nur teilweise anerkannt werden. Ziel sollte es also sein, auch relevante Konversionen, etwa die Generierung von Leads oder konkrete Umsatzbeiträge, nachzuweisen.

Eine Studie von Manchanda und Kollegen zum Beispiel zeigt, dass besser vernetzte und aktivere Mitglieder der Community eines großen Einzelhandelsunternehmens besonders stark zu den zusätzlich generierten Einnahmen beitragen. Und natürlich gibt es neben Umsatzzahlen auch andere relevante Ziele, etwa neue Produktentwicklungen (bei Communitys mit Fokus auf Innovation) oder die Vernetzung von Mitarbeitern (bei internen Communitys; siehe auch unser Interview mit Achim Brück.) 

3. Aufbau einer Community-Kompetenz

Im strategischen Management spielt seit vielen Jahren der Aufbau von Fähigkeiten oder Kompetenzen eine große Rolle. Es geht also zunehmend weniger um konkrete physische Ressourcen, die Organisationen (für die Wertschöpfung) zur Verfügung stehen, und vielmehr darum, welche und wie Organisationen (neue) Fähigkeiten entwickeln und nutzen.

Es liegt also nahe, dass Community-fokussierte Organisationen (oder Community-driven, wie Spinks sie nennt) auch eine Community-Kompetenz entwickeln. Um eine solche zu finden, lohnt der Blick auf die Verankerung des Community-Leitgedankens in der Organisation, die Struktur, die die Community im Unternehmen operativ stützt (Budgets, Verantwortlichkeiten, Abläufe) und auch die Aktivitäten, mit deren Hilfe die Community aktiviert und lebendig gehalten wird. Beispiele für die strategische Nutzung von Communitys bei Notebooksbilliger AG, der BMW Gruppe und der Funke Mediengruppe haben wir hier beschrieben. 

4. Customer Engagement richtig messen

Wie bereits erwähnt, verfolgen viele Social-Media- und Community-Manager:innen mit ihren Tätigkeiten häufig das Ziel, Customer Engagement zu steigern. Schaut man dort genauer hin, stellt man fest, dass viele Professionals das Konzept nur mit Hilfe von einfachen Kennzahlen wie etwa Views oder Klicks messen. Diese Metriken spiegeln allerdings nicht die Komplexität des Konzeptes wider.

Tatsächlich versteht man unter Customer Engagement kognitive, emotionale und verhaltensorientierte Aktivitäten in der Interaktion zwischen Kund:innen und Marke. Der Konsum der Markeninhalte bzw. eine Reaktion per Like sind in der Regel ungeeignet, um die tiefergehende Auseinandersetzung mit der Marke (und den Produkten des Unternehmens) seitens der Kund:innen zu analysieren. Verschiedene Forscher:innen haben Fragebögen entwickelt, mit deren Hilfe man Customer Engagement sauber erfassen und messen kann. Mitglieder der Community werden dabei unter anderem befragt, inwiefern sie sich für die Marke begeistern, inwieweit sie über die Community mit Gleichgesinnten in Austausch treten können, ob sie dort wertvolle Informationen vorfinden und ob ihnen der Austausch in der Community Freude bereitet. Einen dieser Fragebögen haben wir in einem vorherigen Beitrag vorgestellt. 

5. Fokus auf effektive Community-Praktiken

In der Organisationsforschung spielen seit geraumer Zeit sogenannte soziale Praktiken eine wichtige Rolle. Dabei liegt der Fokus auf den Praktikern selbst, aber auch auf den Praktiken, die diese über die Zeit hinweg entwickeln. Diese Praktiken werden nun in allen Bereichen des Managements und auch im Marketing stärker beleuchtet. In einer Analyse des Purse-Forums, einer Community für Luxusgüter mit dem Fokus auf Designerhandtaschen und -accessoires, wurden verschiedene Praktiken des Community Managements analysiert. So waren beispielsweise persönliche Begrüßungen, das Anbieten von Hilfe, das Zeigen von Dankbarkeit, die Einhaltung und Durchsetzung von Regeln oder auch das Netzwerken zwischen Mitgliedern wichtige Voraussetzungen für das Funktionieren der Community (voller Beitrag hier). Ein anderes interessantes Beispiel sind die Praktiken von Führungskräften, die mit ihren Aktivitäten auf Social Media als Evangelisten oder Botschafter für die Marke auftreten. 

6. Betrachtung aller Lebenszyklusphasen einer Community

In aller Regel liegt der Fokus bei bestehenden Analysen auf erfolgreichen Communitys von Love Brands mit einer großen, bestehenden Mitgliederzahl, wie etwa dem eingangs genannten Vergleich zwischen Manchester United und dem Liverpool Football Club. Allerdings ist gut dokumentiert, dass der Aufbau vieler Communitys schon von Beginn Schwierigkeiten mit sich bringt. Viele Praktiker scheitern bei dem Versuch, das relevante Ökosystem (und entsprechend konkurrierende Angebote) sauber zu analysieren sowie der Akquise einer kritischen Masse an Mitgliedern. Spannend sind hier erprobte Maßnahmen in der Gründungsphase, also etwa Growth Hacking für Communitys, insbesondere bei Marken, die nicht schon von Beginn an Love Brands sind.

Auch die Migration von bestehenden Communitys von einer Plattform auf eine andere, gewissermaßen die Schließung bestehender Communitys, ist aktuell weitgehend unbeleuchtet. In einem vergangenen Beitrag auf dem Hub haben wir wichtige Aktivtäten für Community Manager über verschiedene Lebenszyklusphasen hinweg an einem Beispiel der Gesundheitsbranche vorgestellt. 

7. Community für Web3

Communities sind mit dem Web 2.0 groß geworden. Sie leben von nutzergenerierten Inhalten und engagierten Mitgliedern. Aktuell beobachten wir eine Bewegung hin zu Web3, bei der es im Kern um eine Dezentralisierung des Internets geht. Viele Web3-Anwendungen basieren auf der Blockchain, dazu gehören Fungible Tokens, Nonfungible Tokens (NFTs), Decentralized Autonomous Organizations (DAOs) oder das Metaverse. Aus dem Sport kennen wir Digital Collectibles (NFTs), analog zu Sammelkarten aus Papier, an die sich der ein oder andere vielleicht noch aus Kindestagen erinnert. Die NBA hat kürzlich eine Reihe solcher digitalen Sammelstücke veräußert. Budweiser hat als Sponsor für den Super Bowl 2022 und für die FIFA 2022 eigene NFT-Sammlungen kreiert.

Communities werden im Kontext von Web3 eine wichtige Rolle spielen. Zum einen geht es für Web3-Angebote darum, verschiedene Stakeholder für diese Angebote zu begeistern und in entsprechende Technologien zu investieren. Zum anderen stellen insbesondere dezentrale Organisationen die natürlichen Nachfolger von traditionellen Foren und Communitys dar, weil sich Menschen mit geteilten Interessen mit deren Hilfe zusammenfinden und organisieren können. Im Finanzbereich sind solche dezentralen Organisationen aktuell besonders im Fokus, weil zum Beispiel Krypto-Währungen und -börsen auf deren Grundlagen basieren. 

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel mit dem Titel „A Review and Research Agenda for Brand Communities in Sports“, der im Herbst 2023 im International Journal of Sport Communication erscheinen wird. Er ist Teil eines Themenhefts zu Social Media. Für das Themenheft wurden international renommierte Experten eingeladen, den Forschungsstand zu ihren Fokusthemen zusammenzufassen und zukünftige Entwicklungen zu skizzieren, so auch Prof. Dr. David Wagner, der sich seit vielen Jahren in Forschung, Lehre und Praxis mit dem Einsatz von Social Media und Online Communities beschäftigt.

Autor: Prof. Dr. David Wagner

Community Management Outsourcing mit MUUUH! Next

Sprechen Sie mit uns über den Aufbau, die Pflege und die nachhaltige Aktivierung Ihrer Community oder die Entwicklung einer Engagement-Strategie. Unser Angebot reicht von Beratung über Schulungen bis hin zur kompletten Übernahme des Dialogs.

Ansprechpartner

Ben Ellermann

Managing Director MUUUH! Next
Ben Ellermann war bereits vor dem Facebook Hype für das Soziale Netzwerk stayblue.de in verschiedenen Spezialisten- und Führungsrollen der Bereiche...

E-Mail: ben.ellermann@muuuh.de

Mehr über Ben Ellermann
Ben Ellermann von MUUUH! Next
Wir schaffen digitale Interaktionen mit innovativen Technologien.
Mehr MUUUH! Next