Wie Roboter und Menschen die Dienstleistungen der Zukunft erbringen

Der Beitrag basiert auf dem Buchkapitel mit dem Titel „The service robot revolution“, der im Jahr 2022 im Research Handbook on Services Management erschien. Die Autor:innen sind die Professor:innen Stefanie Paluch (RWTH Aachen), Jochen Wirtz (NUS Business School, Singapur) und Werner H. Kunz (University of Massachusetts, Boston, USA), bei denen es sich um international anerkannte Forschende im Service Management handelt.

Verbreitung und Anwendung von Robotern im Kundenservice

Der globale Markt für Service-Roboter wird von aktuell etwa 20 Milliarden US-Dollar auf etwa 60 Milliarden US-Dollar im Jahr 2029 ansteigen. Die jährliche Wachstumsrate beträgt in diesem Bereich rund 17 %, mitunter wird sie auch auf bis zu 45 % geschätzt. Klar ist: Die Entwicklung ist rasant und es tun sich beständig neue Anwendungsbereiche auf. Dienstleistungen sollen mithilfe von Robotern für Kunden kostengünstiger und von höherer Qualität erbracht werden.

Wenn wir über Service-Roboter sprechen, meinen wir „systembasierte, autonome und anpassbare Schnittstellen, die miteinander interagieren und kommunizieren sowie Dienstleistungen erbringen“.

Wirtz et al. 2018, p. 909, Übersetzung vom Autor

Oder in einfach(er)en Worten: Es handelt sich um Maschinen, die für uns nützliche Dinge tun – ohne oder mit eingeschränktem menschlichem Zutun. Bei diesen Robotern handelt es sich zum Beispiel um physische Roboter, Drohnen, selbstfahrende Fahrzeuge, Wearables, Code oder Software. Diese finden u. a. im Transportwesen und der Logistik Anwendung, aber auch im Tourismus, im medizinischen Bereich, der Pflege oder im Handel.

Roboter auf Reisen

An verschiedenen Flughäfen weltweit, also im Bereich Transport, werden zum Beispiel Service-Roboter genutzt, um Passagiere mit relevanten Informationen zu ihrer Verbindung zu versorgen, Wartezeiten zu verkürzen, die Sicherheit im Passagierbereich zu überprüfen und Passagiere zum richtigen Abfluggate zu lotsen. Einige Hotels, etwa das Mandarin Oriental in Las Vegas, nutzten humanoide Roboter, in diesem Fall Pepper, um Gäste auf unterhaltsame und innovative Weise zu begrüßen. Auch im Restaurant ist eine Auslieferung der Bestellung durch humanoide Roboter bereits vielerorts Realität – so auch im Sushi-Restaurant im MUUUH!-Heimatort Osnabrück, unweit des Hagelofts.

Interessant ist, dass wir Einsätze von Automatisierung und Robotern auch dort beobachten, wo traditionell der persönliche Kontakt eine besonders wichtige Rolle spielte, etwa beim oben genannten Hotel- oder Restaurantbesuch – oder aber bei der Pflege älterer Menschen. Das scheint auf den ersten Blick überraschend.

Unterscheidung zu Self-Service-Technologien

Bei konventionellen Self-Service-Technologien, etwa dem Abheben von Bargeld an einem Geldautomaten oder dem Buchen eines Tickets auf der Website der Bahn, war die Interaktion zwischen Mensch und Maschine strukturiert. Eine Führung seitens des Unternehmens durch die „Service-Reise“ erfolgt nicht. Sie funktioniert, weil das Verhalten erprobt und gelernt ist. Service-Roboter hingegen können auch mit unstrukturierten Situationen umgehen. Das bedeutet, dass sie trainiert werden, auch mit sogenannten Service Failures umzugehen, also wenn z. B. fehlerhafte Angaben gemacht werden. „Intelligente“ Geld- oder Buchungsautomaten würden Kund:innen also auf fehlerhafte Angaben hinweisen, bei der korrekten Eingabe behilflich sein oder alternative Routen zum Ziel definieren (z. B. Eingabe per Sprache statt über das Touch-Display).

Unterscheidung zu menschlichen Kundenberater:innen

In vielen Dienstleistungsunternehmen gilt das Credo: Die Kundenberater:innen sind das Gesicht des Unternehmens zur Kundschaft. Persönlichkeit, Einstellungen und Fähigkeiten beeinflussen die Servicequalität und werden dadurch zu Differenzierungsmerkmalen bzw. Erfolgskriterien im Wettbewerb. Diese werden erreicht durch entsprechende Einstellungsverfahren, Trainings, Organisation etc. Eine der wesentlichen Voraussetzungen ist, dass persönlicher Service emotionale Intelligenz und entsprechendes Reaktionsvermögen, also Empathie, erfordert. Menschliche Berater:innen bzw. Agent:innen können ihr Verhalten individuell auf Kund:innen anpassen und in ihrer Reaktion – zumindest in einem gewissen Maß – auch kreativ agieren, zum Beispiel bei der Reaktion auf eine Beschwerde. In diesen Eigenschaften wird der Mensch den Maschinen auch zukünftig deutlich überlegen sein.

Roboter hingegen haben Menschen gegenüber einen klaren Vorteil, was kognitive und analytische Fähigkeiten angeht. Sie liefern konstant Output auf demselben Qualitätslevel. Sie arbeiten rund um die Uhr. Roboter sind in der Entwicklung kostspielig, sind aber nach der ersten Einführung nur mir geringen inkrementellen Kosten verbunden (d. h. für jeden weiteren Roboter oder jede weitere Nutzungsumgebung fallen nur geringe zusätzliche Kosten an) und erzielen hohe Skaleneffekte (d. h. Einsparungen/Nutzen steigen mit intensiverer Nutzung). Da Roboter i. d. R. durch spezialisierte Unternehmen entwickelt und implementiert werden (wie etwa MUUUH! im Bereich der Chat- und Voicebots), stellen sie für Unternehmen in ihren Kernaufgaben keinen Differenzierungsvorteil dar. Jedes Unternehmen kann den standardisierten Roboter in definierten Prozessen einsetzen und auf demselben Qualitätsniveau produzieren. Allerdings entsteht eine Differenzierung, wenn Skalen-, Verbund- und Netzwerkeffekte einsetzen. Das ist der Fall, wenn die Anzahl der Roboter erhöht, die Bereiche der Automatisierung systematisch ausgeweitet und die Nutzung externen Wissensdatenbanken, etwa CRM-Systeme und Social-Media-Daten, die Interaktionen der Roboter anreichern.

Das Service Robot Deployment Model nach Wirtz et al. (2018)

Das Service Robot Deployment Model

Die Analyse oben zeigt, dass Tätigkeiten nach ihren emotional-sozialen und kognitiv-analytischen Anteilen bewertet werden können. Abhängig von der Ausprägung kann entschieden werden, welche Arbeiten sich komplett durch Roboter automatisieren lassen, welche allein durch Menschen ausgeführt werden und wo ein hybrides Team aus Mensch und Maschine sinnvoll erscheint. Die Darstellung veranschaulicht den Entscheidungsprozess.

Die Autoren geben zu bedenken, dass jedes Dienstleistungsunternehmen natürlich die Interaktionspräferenzen seiner Kund:innen kennen sollte, sodass auch nur dort automatisiert wird, wo Kund:innen dies als wertstiftend empfinden (siehe auch unser Beitrag zur Auswahl des richtigen Automatisierungspfads.). Sie gehen davon aus, dass längerfristig ein persönlicher Service nur für einen Aufpreis gegenüber dem Robo-Service verfügbar sein wird. In Umgebungen, in denen emotional-soziale und kognitiv-analytische Fähigkeiten hoch ausgeprägt sein müssen, etwa bei Beratungsleistungen, der Pflege, Bildung oder medizinischen Dienstleistungen, werden hybride Teams die Regel sein.

Robots/Phonebots made by MUUUH!

Zur Verbesserung des Kundenservice in einem Autohaus haben wir bei MUUUH! Next einen Voicebot gebaut, der es unter anderem möglich macht, Termine zu vergeben (z. B. für Beratungen oder Reifenwechsel), Rückrufe zu vereinbaren und Schadenmeldung vorzunehmen. Ein weiterer Use Case ist der Kauf eines Gebrauchtwagens.

Ein weiterer spannender Case ist der Bestellannahme-Bot EASY AI der Home Shopping Europe GmbH (HSE). Der Bot ist in der Lage, mehr als drei Millionen Anrufe pro Jahr vollautomatisiert zu bearbeiten und erreicht dabei eine Conversion Rate von 70 Prozent. Darüber hinaus verfügt der Phonebot über eine äußerst erfolgreiche automatisierte Cross-Selling-Funktionalität. „Der Phonebot mit seinen unzähligen Dialog-Varianten ist ein wichtiger Umsatztreiber von HSE – und richtungsweisend für die ganze Branche“, sagt Uwe Richter, Director Customer Service.  Das hat auch die Jury des European Contact Centre & Customer Service Awards 2022 erkannt und den Phonebot in der Kategorie „Most Effective Deployment of Artificial Intelligence” ausgezeichnet.

Schlussfolgerungen

#1 Die Dienstleistungsbranche ist an einem Wendepunkt

Traditionelle Dienstleistungsunternehmen sollten die digitale Transformation und Künstliche Intelligenz für sich nutzen, um Innovation, Produktivitäts- und Qualitätsverbesserungen zu fördern sowie das Image und die Positionierung des Unternehmens zu schärfen.

#2 Intensivere Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine

Die Kombination aus Menschen und Robotern in sogenannten hybriden Teams werden den Service-Alltag in vielen Dienstleistungsunternehmen bestimmen, insbesondere dort, wo emotional-soziale Kompetenzen wichtig sind.

#3 Restrukturierung der Service-Frontline

Neue Technologien bringen neue Aufgaben und Verantwortlichkeiten mit sich und erfordern neue Fähigkeiten (Programmierkenntnisse, Analytics, technisches Troubleshooting, etc.). Hier gilt es, Mitarbeiter entsprechend zu schulen und zu entwickeln. Die konkreten Auswirkungen auf Mitarbeiter im Kommunikationsumfeld haben wir in diesem Artikel ausführlicher beleuchtet.

#4 Minimierung von Risiken und Hürden

Unternehmen sollten auf Vorurteile und Ängste eingehen, die mit der Nutzung von Robotern einhergehen. Dies betrifft insbesondere Vorbehalte gegenüber Algorithmen, dem gefühlten Verlust zwischenmenschlicher Interaktionen und der Privatsphäre von Kund:innen. Eine ausführlichere Übersicht von Risiken und Hürden bei Automatisierungsprojekten haben wir hier vorgestellt.

Automatisierung Ihrer Kommunikationsaktivitäten

MUUUH! Next hat sich auf die Automatisierung des digitalen Dialogs spezialisiert. Wir verfügen über breite Expertise in der Anwendung einer Vielzahl von Tools. Gern unterstützen wir Sie bei Auswahl und Implementierung der passenden Werkzeuge, der Schulung von Mitarbeitenden oder bei der Gestaltung von Prozessen im Kundendialog.

Ansprechpartner

Ben Ellermann

Managing Director MUUUH! Next
Ben Ellermann war bereits vor dem Facebook Hype für das Soziale Netzwerk stayblue.de in verschiedenen Spezialisten- und Führungsrollen der Bereiche...

E-Mail: ben.ellermann@muuuh.de

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