Social Media: ein Blick auf Trump und Business Leader

Präsident Trump spielte in diesem Kontext eine wichtige Rolle, indem er seine Anhänger durch wiederholte Vorwürfe des Wahlbetrugs anstachelte und fortwährend zum Widerstand aufrief. Nach dem Ansturm auf das Kapitol reagierten Facebook und Twitter prompt, und sperrten die Konten des Präsidenten. Das Beispiel zeigt eindrucksvoll die Macht zur Einflussnahme von Führungskräften durch Social Media.

Und auch wenn in diesem Fall die Auswirkungen für die Gesellschaft negativ sind, helfen Aktivitäten von Führungskräften in einschlägigen Netzwerken in vielerlei Hinsicht, die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen stützen. Positive Effekte reichen von der Reputationssteigerung und dem Employer Branding über das Crowdsourcing innovativer Ideen und Lösungen und dem Austausch über Abteilungen und Ländergrenzen hinweg (Lesen sie hierzu auch unser Interview mit Achim Brueck über Communities bei Daimler) bis hin zum Zugang zu finanziellen Ressourcen.

In der Tat beschäftigt mich das Thema bereits seit vielen Jahren. Schon im Jahr 2014 stellte ich gemeinsam mit Alexander Richter (z. Zt. Victoria University of Wellington in Neuseeland) eine Studie zum Thema Digital Leadership auf der Hawaii International Conference on System Sciences vor (zur Präsentation). Im Kern zeigte unsere damalige Studie, dass Führungskräfte von der Bedeutung des Wandels, welcher mit der Einführung und Nutzung von Social Media in Unternehmen einhergeht, überzeugt und sensibilisiert werden müssen. Hier ist klassisches Change Management gefragt – etwa, indem man ihnen den Nutzen und die Vorteile aufzeigt, Vorbehalte adressiert und ein neues Führungsverständnis anregt. Idealerweise wird dies etwa in Form von Coachings oder reverse Mentoring unterstützt, damit neue technische Fähigkeiten ausgebildet und soziale Normen entwickelt werden, die den Führungskräften helfen, den kulturellen Wandel aktiv zu begleiten.

Nun ist die oben genannte Konferenz ja eine einschlägige im Bereich der Wirtschaftsinformatik. Die Wirtschaftsinformatik befasst sich vornehmlich mit Informationssystemen, zu denen gehören auch Social-Media-Plattformen. Das Thema Führung wiederum gehört – wenn auch mit einer virtuellen Ausprägung unter dem Schlagwort Digital Leadership – primär in die Kategorie Führung, Organisation und Strategie. Zu dem Thema gibt es auf dem deutschen Markt zwar bereits einige Fachbücher. In den einschlägigen Journalen war es jedoch lange Zeit ruhig. Erst im letzten Jahr (2020) erschien der erste einschlägige Artikel in der Strategieforschung, den wir heute vorstellen möchten.

“How Do Strategic Leaders Engage with Social Media?”

Die Arbeit mit dem Titel: „How Do Strategic Leaders Engage with Social Media? A Theoretical Framework for Research and Practice“ erschien im Strategic Management Journal. Die Autoren sind Ciaran Heavey (Michael Smurfit Graduate Business School, Irland), Zeki Simsek (Clemson University, USA) und Christina Kyprianou (Clemson University, USA) und Marten Risius (University of Queensland, Australia).

In ihrer Studie untersuchen die Forscher 64 Fachartikel zum Thema Führung im Social-Media-Kontext. Darüber hinaus analysieren sie die Social-Media-Präsenzen von 275 strategischen Führungskräften aus acht Unternehmen, die zu den Fortune 100 gehören. Sie analysieren die prototypischen Verhaltensweisen (Engagement Patterns), wie man sie bei den untersuchten Persönlichkeiten beobachten kann. Dabei geht es um die individuellen Social Media Accounts, mit denen sich Führungskräfte persönlich zu Wort melden, und nicht um die Unternehmenskonten, welche von den Kommunikationsabteilungen gepflegt werden.

Hier folgt nun eine Übersicht der prototypischen Verhaltensmuster, inklusive einiger Beispiele für das Verhalten sowie illustrativer Tweets:

Übermittlung (Conveyance)

Die Nutzung von Social Media zur Einwegkommunikation von strategischen Informationen, Entwicklungen und Resultaten an verschiedene Stakeholder.

Beispiele für diese Kategorie sind etwa Updates für Investoren, neue Trends, Erfolgsgeschichten, die Einführung neuer Produkte oder Dienstleistungen, Änderungen bei der Führung des Unternehmens und kompetitive Ambitionen.

“Curious what nonprofits say about their diversity, inclusion, and equity efforts and the role they want their foundation funders to play in them? Check out new @CEPData report for important insights. https://t.co/j2PywQsU3u”  - Anne Wallestad, President & CEO, BoardSource 

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Evangelization

Die Nutzung von Social Media, um Stakeholder von gemeinsamen Visionen, Werten, Strategien oder der Interpretation, etwa von neuen Informationen, zu überzeugen.

Typische Evangelization-Anlässe sind Entschuldigungen im Namen des Unternehmens, das Aussprechen von Dank und Lob, das Zeigen erwünschter Werte, Verhalten mit Vorbildwirkung, Positionierung bei relevanten gesellschaftlichen Themen oder die Betonung der gemeinsamen Vision.

“@Uber has a responsibility to help keep people safe. It's core to everything we do - we're doubling down on safety, making it easier to share your trip w/ loved ones, and piloting tech that could save time and lives in an emergency.” - Dara Khosrowshahi, CEO, Uber

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Dialog (Dialogue)

Die Nutzung von Social Media für interaktive und kollaborative Kommunikation mit Stakeholdern, die Feedback anfordern, Ideen und Lösungen liefern oder Wissen einbringen.

Die dialogische Social-Media-Nutzung durch Führungskräfte findet etwa in Richtung Investoren über Finanzkennzahlen statt, initiiert Brainstorming mit Stakeholdern über neue Ideen oder dient dem Einholen von Feedback zu neuen Produkten und Dienstleistungen, Produkttests und Experimenten.

“Sid, you tweeted the following to me: "We want to see the Roxor in the US with a headline that says "Tenacious #Mahindra refuses to back down against FCA" @sidgala" Please see the statement below...” - Anand Mahindra, Chairman, Mahindra Group

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Mobilisierung (Mobilization)

Die Nutzung von Social Media, um die Community rund um gemeinsame strategische Themen, wohltätige Zwecke oder soziale Bewegungen zu formen und zum Handeln anzuregen.

Beispiele für mobilisierende Maßnahmen sind der Community-Aufbau, die Organisation von Events, Aufrufe zur Unterstützung durch Community-Mitglieder – etwa zum Crowdfunding, oder die Bitte um öffentliche Unterstützung in Form von Unterschriftensammlungen u.a.

The only way to create meaningful change is to do it collectively. Join @gucci and @chimeforchange in support of gender equality at https://t.co/W6gOvqgkSW #chimeforchange” - Arianna Huffington, Founder & CEO, Thrive Global

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Verschleierung (Obfuscation)

Die Nutzung von Social Media, um Stakeholder mit zu wenigen, zu vielen Informationen oder auch falschen Informationen zu versorgen.

Beispiele für Verschleierungstaktiken sind die verzögerte oder verhinderte Veröffentlichung wesentlicher Fakten, die Herstellung falscher Kausalzusammenhänge, das Fehlen von Belegen für Aussagen, das Aussitzen von Krisensituationen oder das Ablenken, etwa durch das Setzen alternativer Themen.

“In addition to winning the Electoral College in a landslide, I won the popular vote if you deduct the millions of people who voted illegally” - Donald Trump, President of the United States

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Celebritization

Die Nutzung von Social Media, um Aufmerksamkeit und Bestätigung zu erhalten sowie positive Reaktionen für Aktivitäten und Entscheidungen hervorzurufen (analog zu denen von Stars/Celebrities).

Beispiele für Celebritization-Strategien sind die Fokussierung auf die eigene Firma in Onlinedebatten und Diskussionen, aggressives Antwortverhalten bei negativen Reviews oder Kommentaren, Starten von Debatten und Diskussionen, um Aufmerksamkeit zu erregen und das aktive Platzieren von Eigenwerbung.

„So proud of @Stacy_Lewis, our KPMG Houston office and #KFFL family for rebuilding the library @Hilliard_ES impacted by Hurricane Harvey and providing 10,000 new books to kick off the school year.“ - Lynne Doughtie, Chairman & CEO, KPMG

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Wie vorab erwähnt, handelt es sich bei den Kategorien um prototypische Verhaltensweisen, die man beobachten konnte. Natürlich wird dieselbe Person zu unterschiedlichen Anlässen auch unterschiedliche Verhaltensweisen (oder Engagement Patterns) zeigen.

Nichtsdestotrotz gibt es bei der Analyse der Führungskräfte durchaus dominante Muster einzelner Personen. Mehr als 50 % der Statements von Arianna Huffington (Thrive Global) fallen in die Kategorie Übermittlung (Conveyance). Ryan Holmes (Hootsuite) nutzt mit jeweils 35 % seiner Beiträge besonders stark die Kategorien Übermittlung (Conveyance) und Evangelization. Letztere wird ebenfalls dominant von Caryl Stern (UNICEF) genutzt (64 %). Brian Chesky (AirBnB) nutzt bei der Hälfte seiner Interaktionen den Dialogansatz (Dialogue).

Auch scheinen sich Tendenzen in bestimmten Branchen abzuzeichnen. So kommunizieren Führungskräfte von Technologiekonzernen vorwiegend mit dem Dialogansatz, während bei Start-ups der Celebritization-Ansatz besonders populär ist. Non-Profits und NGOs nutzen vornehmlich Mobilisierung (Mobilization) und Evangelization.

Mit Blick auf die genutzten Plattformen ergibt sich eine Auffälligkeit. So geben die Autoren der Studie an, dass LinkedIn aktuell die von Führungskräften am häufigsten genutzte Plattform ist und für diese Nutzergruppe die größte Relevanz aufweist. Die ausgewerteten Daten stammen hingegen allesamt von Twitter. Der Grund für die Beliebtheit von Twitter in Forscherkreisen mag in der offenen Struktur der Plattform und dem Vorhandensein von APIs liegen. Sie erleichtern das Sammeln und Auswerten von Daten.

Zukünftig wäre es natürlich interessant, die Kategorie „Dialog (Dialogue)“ noch weiter aufzubrechen und hier weitere und – wenn möglich – detaillierte Profile zu erstellen. Denn natürlich gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, interaktiv und kollaborativ mit verschiedenen Stakeholder-Gruppen in Austausch zu treten.

Hierzulande glänzen Führungskräfte leider noch zu oft durch Abwesenheit auf den benannten Netzwerken. Wenn Führungskräfte erklären, sie wollen auf einer Plattform wie Twitter oder LinkedIn aktiv werden, hat dies fast schon Nachrichtenwert. Doch es kommt Bewegung in die Denkstrukturen, uns bei MUUUH! erreichen vermehrt Anfragen im Kontext der Beratung und dem Management von Führungskräftepräsenzen im Netz. Diese Entwicklung ist begrüßenswert.

Das eingangs genannte Beispiel des Donald Trump ist also ein exemplarisches. Er mobilisiert seine Anhänger mit der Verschleierungstrategie (Obfuscation). Die Diskussion um die Sperrung seiner Accounts und den damit einhergehenden Entzug seiner Machtbasis wird uns wohl noch eine Weile begleiten. Die Studie zur Nutzung von Social Media zeigt allerdings auch eine Reihe weiterer Möglichkeiten auf, wie strategische Führungskräfte Social Media für sich nutzen können. Wer aktuell für sich noch keinen Ansatz definiert hat, sollte daran arbeiten.

Autor: Prof. Dr. David Wagner

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