Social CRM und Firmentypen in der Praxis

Die Studie, die diesem Beitrag zugrunde liegt, wurde von Kateřina Kantorová und Pavel Bachmann verfasst und trägt den Titel „Social Customer Relationship Management and Organizational Characteristics“. Sie erschien im Jahr 2018 in „information“, einem wissenschaftlichen Fachjournal an der Schnittstelle zwischen Informations-, Technologie- und Kommunikationswissenschaften.

Aktuelle Betrachtungen gliedern die Customer Journey in der Regel in fünf unterschiedliche Phasen.

  1. Awareness (Bewusstsein)
  2. Consideration (Abwägung)
  3. Purchase (Kauf),
  4. Retention (Bindung)
  5. Advocacy (Fürsprache)

 

Während digitale Touchpoints in jedem dieser Bereiche zunehmende Bedeutung erlangen, spielen Social-Media-Kanäle insbesondere in den ersten beiden Phasen eine wichtige Rolle. Die Integration von Social-Media-Aktivitäten in die CRM-Prozesse von Unternehmen trägt somit schlichtweg einer umfassenderen Betrachtung der Customer Journey Rechnung.

Verschiedene Studien zum Thema Social CRM belegen, dass der Organisationskontext für den Einsatz von Social CRM bedeutsam ist. Außerdem wird der Bedarf an zukünftigen detaillierteren Untersuchungen – insbesondere im europäischen Umfeld – deutlich. Es herrscht allerdings Einigkeit darüber, dass die Unternehmensgröße und die Marktorientierung (B2B vs. B2C) zwei wichtige Kontextfaktoren sind.

Die Autoren der Studie sammelten mithilfe einer Umfrage Daten zum Einsatz von Social CRM in 360 tschechischen Unternehmen, davon beschäftigen ein gutes Drittel (248 Firmen) mehr als 250 Mitarbeiter. Die anderen Unternehmen sind kleiner. Etwa 60 Prozent der befragten Unternehmen bedienen Geschäfts- und Endkunden (B2B & B2C), weitere 25 Prozent der Unternehmen fokussieren lediglich auf Geschäftskunden (B2B) und 12 Prozent adressieren mit ihrem Angebot ausschließlich Endkunden (B2C).

Mithilfe der Umfrageergebnisse gingen die Autoren folgenden Fragen nach, wobei sie offenbar nicht zwischen „Social Media“ und „Community“ unterscheiden:

  1. In welchem Ausmaß werden eigene Communitys aufgebaut und wie stark engagiert sich das Unternehmen in Communitys?
  2. In welchem Ausmaß werden Interaktionen in Communitys proaktiv gemanagt und inwiefern spiegelt das den strategischen Ansatz des Unternehmens wider?
  3. In welchem Ausmaß werden Communitys zur Kommunikation mit Kunden genutzt?
  4. In welchem Ausmaß nutzen Unternehmen Community-Daten als Teil ihres CRM-Setups, insbesondere um Marketingplanung und -budgets zu bestimmen und den Erfolg von Kampagnen zu bewerten?
  5. In welchem Ausmaß sammeln, integrieren und nutzen Unternehmen Kundendaten aus Communitys?

Die Resultate zeigen, dass

  • größere Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern häufiger eigene Präsenzen aufbauen und diese auch strategisch besser nutzen.
  • größere Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern besser darin sind, Daten zu managen.
  • Unternehmen zwischen 250 und 500 Mitarbeitern die höchste Ausprägung beim proaktiven Management von Communitys aufweisen.
  • kleinere Firmen mit weniger als 250 Mitarbeitern die Social-Media-Kanäle intensiver zum direkten Austausch mit Kunden nutzen.
  • die Integration von Social-Media-Daten in CRM-Aktivitäten ausgeprägter bei Unternehmen mit einem Fokus auf Endkunden (B2C) ist.

Eine Übersicht der zentralen Ergebnisse unter Berücksichtigung der Unternehmensgröße befindet sich in Abbildung 1.

Abbildung 1: Zentrale Ergebnisse der Studie mit Unterscheidung nach Unternehmensgröße

Grafik Social CRM

Neben dem obigen Big Picture gibt es allerdings noch weitere interessante Befunde in den Ergebnissen, auf die ich gern eingehen möchte.

B2B-Unternehmen als Problemfall?

B2B-Unternehmen tun sich nachweislich schwerer mit dem Kundenkontakt auf Social Media. Hierbei handelt es sich aber nur um eine Momentaufnahme, und nicht um ein Naturgesetz. Dass Social Media inzwischen auch in diesem Segment wichtiger wird, zeigt etwa das Fachbuch „B2B-Online-Marketing und Social Media“ von Kreutzer und Kollegen. Auch in dem Beitrag zum Community Management bei den Hunger Games hatten wir bereits auf ein Best-Practice-Beispiel im B2B-Segment hingewiesen.

Haben ist besser als brauchen?

Innerhalb der Umfrage fällt eine Art Hierarchie auf: Die Sammlung der Daten erfährt die höchste Zustimmung, gefolgt von der Integration dieser Daten. Das Schlusslicht bildet die Nutzung der gewonnenen Daten. Wenn sich diese Gewichtung auch in der praktischen Umsetzung widerspiegelt, dann werden viele Unternehmen wohl auf einem Datenschatz sitzen, dessen mäßige Integration nur noch von seiner schlechten Nutzbarkeit überboten wird – ein ärgerlicher Missstand, wenn auch überspitzt formuliert.

Eng damit verbunden ist die Tatsache, dass nur 140 der befragten Unternehmen, also etwa 39 Prozent, angaben, ein formelles CRM-System im Einsatz zu haben. Hier stellt sich dem kritischen Betrachter natürlich die Frage, inwiefern ein Social-CRM-Ansatz, wie eingangs beschrieben, tatsächlich eine Integration von Social Media in die CRM-Aktivitäten eines Unternehmens sein kann, wenn ein dazu gehöriges System nicht im Einsatz ist. Der Anteil der Organisationen, die noch immer händisch und mit latent aktualisierungsbedürftigen Listen arbeiten, scheint noch immer hoch. Die fehlende Verknüpfung von Social-Media-Daten und CRM-Systemen haben wir für den deutschsprachigen Raum auch im Rahmen der BVCM-Studie schon festgestellt und kritisiert.

Dialog als Mangelware?

Social-Media-Kanäle dienen primär dem Austausch zwischen Unternehmen und Kunden, sollte man meinen. Vor diesem Hintergrund irritiert an der Studie das vergleichsweise schlechte Abschneiden des direkten Dialogs mit Kunden. Es drängt sich die Frage auf, ob die Unternehmen die sozialen Netzwerke nur benutzen, um ihre Inhalte und Produkte zu platzieren, ohne dabei auf den Austausch als essenzielles Merkmal dieser Plattformen zu achten. Spannend wäre es an dieser Stelle natürlich, mehr über die Gründe des geringen Dialogaufkommens zu erfahren. Leider war dies nicht Fokus der Autoren.

Zu guter Letzt weisen die Autoren auf weitere Faktoren hin, die in zukünftigen Untersuchungen stärker beleuchtet werden sollten. Dazu zählen sie etwa die Unternehmensform, die Branche des Unternehmens, die Größe des Marketingteams und das Outsourcing von Social-Media-Aktivitäten. Andere Studien benennen zusätzlich das Vorhandensein von Trainingsangeboten, die Unterstützung durch das Management, Kundenzentrierung als Unternehmenswert und die Verknüpfung von Digital- und Marketingstrategien als wichtige Kontextfaktoren mit erheblichem Einfluss auf die Nutzung und den Erfolg von Social CRM.

Fest steht: Es bliebt viel zu tun! Insbesondere der letzte Punkt, das Outsourcing von Social-Media-Aktivitäten, ist für MUUUH! ein Herzensthema, zu dem wir auch künftig im Newshub berichten werden.

Autor: Prof. Dr. David Wagner

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