Barrierefreiheit spielt eine entscheidende Rolle, um sicherzustellen, dass auch Menschen mit Beeinträchtigungen reibungslos mit diesen Technologien interagieren können. In diesem Artikel beleuchten wir, warum barrierefreie Chatbots ein Schlüssel zur Verbesserung der Nutzererfahrung für alle sind. Sie erfahren, wie Sie durch die Umsetzung barrierearmer Lösungen nicht nur die Zufriedenheit Ihrer Kund:innen steigern, sondern auch Ihre Reichweite und Marktrelevanz erhöhen können. Entdecken Sie, wie eine zugängliche Chatbot-Gestaltung Ihr Unternehmen zukunftssicher macht – für eine digitale Kommunikation, die wirklich alle erreicht.
Barrierefreiheit im Web: Was bedeutet das BFSG für Chatbots?
Barrierefreiheit im digitalen Raum
Laut Schätzungen ist weltweit etwa eine Milliarde Menschen von kognitiven, physischen oder sensorischen Einschränkungen betroffen – also jede achte Person. Barrierefreiheit im Web ist also essenziell, um sicherzustellen, dass digitale Inhalte wie Websites und Apps für alle Menschen zugänglich sind.
Dabei ist Barrierefreiheit nicht nur eine ethische Verpflichtung, sondern auch rechtlich relevant: In Deutschland schreibt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) vor, dass bestimmte digitale Produkte und Dienstleistungen ab dem 28. Juni 2025 barrierefrei gestaltet sein müssen
BFSG, WCAG, ohje ohje
BFGS
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) basiert auf der EU-Richtlinie (EU) 2019/882, die auch als European Accessibility Act (EAA) bekannt ist. Diese Richtlinie legt harmonisierte Anforderungen an die Barrierefreiheit bestimmter Produkte und Dienstleistungen fest und zielt darauf ab, Hindernisse im Binnenmarkt zu reduzieren und Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Das BFSG setzt diese Richtlinie in deutsches Recht um und verpflichtet Unternehmen sowie Anbieter, die in den Anwendungsbereich fallen, ab dem 28. Juni 2025 barrierefreie Lösungen anzubieten.
WCAG
Die WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) sind international anerkannte Richtlinien zur Barrierefreiheit von Webinhalten, die vom World Wide Web Consortium (W3C) entwickelt werden. Sie bieten konkrete Empfehlungen dafür, wie Websites, Apps und andere digitale Inhalte gestaltet werden können, um für Menschen mit Behinderungen zugänglich zu sein. Die WCAG legen konkrete Kriterien fest, die Webinhalte erfüllen sollten, und gliedern sich in vier zentrale Prinzipien.
Die WCAG basieren auf diesen vier zentralen Prinzipien:
- Wahrnehmbarkeit: Inhalte müssen für alle Sinne zugänglich sein (z. B. alternative Texte für Bilder, Untertitel für Videos).
- Bedienbarkeit: Nutzer müssen Webseiten mit unterschiedlichen Eingabemethoden bedienen können (z. B. mit der Tastatur statt einer Maus).
- Verständlichkeit: Inhalte und Navigation müssen klar und intuitiv gestaltet sein.
- Robustheit: Inhalte müssen mit verschiedenen Technologien und Hilfsmitteln kompatibel sein, z. B. Screenreadern.
Unternehmen, die ihre digitalen Angebote barrierefrei gestalten wollen, finden dazu im den WCAG Richtlinien, Erfolgskriterien und Techniken, die bei der Umsetzung helfen.
Chatbots und das BFSG
Ob Chatbots auch in den Geltungsbereich des BFSG fallen, ist aktuell noch nicht abschließend zu beantworten, da sie im Gesetzestext nicht explizit genannt werden. Unsere klare Empfehlung ist jedoch, Chatbots, die Teil einer vom BFSG betroffenen Website oder Dienstleistung sind, ebenfalls barrierefrei zu gestalten.
Die im BFSG als "Stand der Technik" referenzierten Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) sind zwar deutlich auf Webinhalte ausgelegt, lassen sich aber auch auf Chatbots anwenden und adaptieren. Denn in der Regel handelt es sich auch bei Chatbots um Web Content bzw. Anwendungen, die auf Webtechnologien aufbauen.
Chatbots sind jedoch komplexere und dynamischere Anwendungen als allgemeine Web-Inhalte und stellen daher zusätzliche Anforderungen an die Barrierefreiheit. Aus unserer Arbeit mit verschiedenen Conversational AI-Lösungen können wir daher umfangreiche Empfehlungen für die Zugänglichkeit und Barrierefreiheit von Chatbots geben. Hierbei handelt es sich nicht um verbindliche Richtlinien, sondern insbesondere um Best Practices, die auf den Grundprinzipien der Barrierefreiheit basieren oder diese erweitern.
Best Practices für barrierefreie Chatbots
Generell empfehlen wir, Nutzer:innen zusätzlich zu einem Chatbot auch eine nicht-textuelle Alternative zur Verfügung zu stellen, beispielsweise die Kontaktaufnahme per Telefon.
Barrierefreie Inhalte für Chatbots
- Fragen und Antworten sind klar verständlich formuliert und verzichten auf Metaphern, unnötige Fachbegriffe oder umgangssprachliche Wendungen.
- Texte und Inhalte sind logisch in einzelne Abschnitte mit kurzen Sätzen und Textpassagen unterteilt.
- Das User Interface enthält keine blinkenden Elemente oder unnötigen Animationen.
- Eine Gesprächshistorie erhöht die Nachvollziehbarkeit des Chats.
- Bei neuen Nachrichten im Chatverlauf, wird mit einem Indikator darauf hingewiesen und nicht automatisch dorthin gescrollt.
- Buttons sind mit einer Beschreibung ihrer Funktion versehen.
- Der Chatverlauf kennzeichnet, wer was wann geschrieben hat.
- Icons und Bilder sind mit einem Alternativtext versehen.
- Formularfelder verfügen über einen beispielhaften Platzhaltertext.
Barrierefreiheit in der Funktionalität von Chatbots
- Der Chatbot stellt sich zu Beginn vor, beschreibt seine Funktionen / Optionen und seinen Zweck.
- Bei Problemen mit den Inhalten haben Nutzer:innen die Möglichkeit, Hilfe zu erhalten.
- Benutzer:innen können rückmelden, ob die Antworten des Chatbots hilfreich waren oder nicht.
- Konnte nach drei Versuchen keine erfolgreiche oder zufriedenstellende Antwort durch den Chatbot gegeben werden, sollte ein automatisches Handover an einen menschlichen Agenten erfolgen.
- Bei Antwortoptionen wird die häufigste oder geläufigste Antwort als erstes gelistet.
- Ist eine Konversation beendet oder ein Endpunkt erreicht, werden weiterführende Optionen angeboten.
- Ein Timeout bei fehlender Antwort oder Reaktion durch Benutzer:innen wird mit ausreichend Vorlauf angekündigt bzw. angezeigt, bevor die Unterhaltung automatisch beendet wird.
Technische Barrierefreiheit von Chatbots
- Das Chatfenster und dessen Inhalte sind responsive.
- Eine Skalierung des Interfaces sollte die Usability nicht beeinflussen.
- Bei einer Skalierung von 100 Prozent werden Nachrichtenblasen komplett angezeigt und Text nicht abgeschnitten.
- Das Chatfenster ist im Fokus, wenn es geöffnet wurde.
- Interaktive Elemente sind per Tastatur erreichbar.
- Falls der Chatbot etwas nicht versteht, werden Optionen angeboten, um die Unterhaltung fortzusetzen oder es findet alternativ ein Handover an einen Menschen statt.
- Es werden semantisches HTML5 und ARIA-Attribute verwendet.
Barrierefreiheit und Customer Experience
Barrierefreiheit bei Web-Inhalten ist mehr als eine gesetzliche Notwendigkeit. Sie ist ein wichtiges Werkzeug für eine herausragende User Experience. Unternehmen, die ihre digitalen Inhalte und Chatbots barrierefrei gestalten, erweitern nicht nur den Kreis der potenziellen Nutzer:innen, sondern schaffen auch eine Customer Experience, die die Zufriedenheit und das Vertrauen der Benutzenden stärkt. Eine barrierefreie Gestaltung ermöglicht es, dass niemand ausgeschlossen wird und jeder, unabhängig von seinen Fähigkeiten, von den Vorteilen moderner Technologien profitieren kann. Letztlich führt dies zu einer breiteren Akzeptanz und Nutzung von digitalen Diensten und stärkt die Kundenbindung nachhaltig. Barrierefreiheit ist also nicht nur ein Muss, sondern ein echter Mehrwert – für Unternehmen und Nutzer:innen gleichermaßen.
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Jan Klammann
E-Mail: jan.klammann@muuuh.de
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