Wenn Marke nach dem Marketing aufhört
Unternehmen investieren heutzutage viel in eine attraktive Außendarstellung. Die Bewerbung der eigenen Dienstleistungen und Produkte läuft zumeist hochprofessionell und – je nach Branche – in hoher Frequenz. Allein in 2013 investierten deutsche Unternehmen laut Statista mehr als 30 Milliarden Euro in werbliche Maßnahmen, um sich selbst und die eigenen Produkte für den Interessenten und Kunden möglichst attraktiv zu halten, und um sich selbst als „Marke“ zu positionieren. Mit all diesen Maßnahmen wecken Unternehmen und Marken auf der Empfängerseite konkrete Erwartungshaltungen – darüber, wer sie sind, was ihre Dienstleistungen und Produkte zu leisten imstande sind, welchen Einfluss die Dienstleistungen und das Produkt auf das persönliche Käuferbefinden haben, oder gar auf seine soziale Positionierung oder seinen Lebensstandard.
Die spannende Frage lautet jetzt: Sind Unternehmen oder Marken in der Lage, diesen Erwartungshaltungen gerecht zu werden? Bin ich als Kunde wirklich heute ein König beim Verzehr eines bestimmten hopfenhaltigen Getränks? Wird der Kunde wirklich besser Leben, wenn er seine Einkäufe bei einem bekannten Lebensmittelhändler erledigt? Erlebe ich wirklich Freude am Fahren, wenn ich das Fahrzeug eines süddeutschen Automobilherstellers über die Straße treibe?
Zahlreiche Studien setzen sich mit genau dieser Fragestellung auseinander. Bekannt geworden sind hier allen voran die Brandshare-Studien von Edelman. Zusammenfassend kann man immer von vergleichbaren Ergebnissen sprechen: Die Kunden haben hohe Erwartungshaltungen an Marken. Diese Erwartungen werden nicht durchgängig erfüllt. Aus Kundensicht scheitern Unternehmen insbesondere in der Eindeutigkeit des unternehmerischen Handelns und der kommunizierten Markenbotschaft, bei der Gleichberechtigung in der Beziehung zwischen Marke und Kunde und nicht zuletzt am tatsächlichen Interesse an der Situation des Kunden (vgl. Edelman, 2015).
Solche Missverhältnisse haben mehrere Gründe. Ein relevanter Faktor ist definitiv die nach wie vor übliche Abgrenzung der wichtigen Bereiche Marketing, Vertrieb und insbesondere Service. Gerade die Service-Organisation spielt bei der gezielten Aufladung und Gestaltung der eigenen Marke nur eine untergeordnete oder gar keine Rolle. Dabei ist der persönliche Kontakt mit den Mitarbeitern einer Marke entscheidend für die Markenbindung und -loyalität des Kunden (vgl. Brexendorfer, 2008).
KURZ GEFASST
Unternehmen tätigen enorm hohe Ausgaben, um die Marke aufzuladen und in einem konsistent gestalteten, differenzierten und positiven Image zu positionieren. Im persönlichen Kontakt mit der Marke wird diese Konsistenz hingegen schmerzlich vermisst. Damit wird bereits der erste Servicekontakt automatisch zur Enttäuschung, weil das Unternehmen die aufwendig aufgebaute Erwartungshaltung nicht erfüllt. Das kann dazu führen, dass anschließend vom positiven Image der Marke nicht mehr viel übrig bleibt.
WIE ENTFLIEHEN MARKEN DER ENTTÄUSCHUNGSFALLE?
Als Orientierung für die konsistente Überführung der Markenbotschaft in eine markenkonforme Customer Experience kann das folgende Modell von Felten & Schulte (2010) dienen.
Es besagt, dass für eine markenkonforme Customer Experience nicht nur die „Image and Product Perception“ von entscheidender Bedeutung ist (Plakate, Werbebanner, Briefpapier/Signaturen, Gebäude/Räumlichkeiten, aber auch Qualitätsanmutung, Funktionalität, Optik/Haptik von Produkten). Vielmehr spielt auch die „Customer Service Perception“ eine entscheidende Rolle. Zu den wichtigsten Elementen des Servicekontaktes gehören die Fachkompetenz, die Gesprächsatmosphäre, die Gesprächsführung, das verwendete Wording und die gefühlte innere Haltung des Dialogpartners.
Erst die konsistente Ausrichtung beider Ebenen auf die konforme Vermittlung eines gegebenen Markenversprechens kann zu einer markenkonformen Customer Experience führen. Im Kern bedeutet das: In jedem Kontaktpunkt mit der Marke sollte die Markenbotschaft unbedingt für den Kunden erlebbar und spürbar sein! Das gilt sowohl für den Kontakt mit dem Produkt als auch für einen Servicekontakt. Diese Konsistenz beeinflusst die Markenbindungsbereitschaft und die Markenloyalität erheblich und trägt nachgelagert zum wirtschaftlichen Erfolg einer Marke bei.
Die Bedeutung der Markenkultur
An dieser Stelle können Sie sich nun selbst die Frage stellen:
- Erlebt ein Kunde im Kontakt mit meiner Organisation konsistent und durchgängig die Einlösung meines Markenversprechens?
- Was sind überhaupt die zentralen Botschaften und Leistungsversprechen meiner Marke oder Organisation?
Um auf die zweite Frage eine Antwort zu finden, sollte ein gezielter Dialog mit dem Marketing in Ihrer Organisation reichen. Die Antwort auf die erste Frage ist weit weniger leicht zu finden, denn diese Frage zielt auf die Kultur in Ihrer Organisation. Kultur – bezogen auf den unternehmerischen Kontext – lässt sich am besten beschreiben als „This is HOW we do things around here“ (Bright & Parkin, 1997). Die Kultur in einer Organisation definiert und prägt also die Art und Weise, WIE Dinge angegangen und umgesetzt werden. In Verbindung mit der Notwendigkeit eines konsistenten Transports der eigenen Markenbotschaft für eine markenkonforme und damit kundenbindungsunterstützende Customer Experience führt dies zu der folgenden konkretisierten Fragestellung: Sind die Dinge in Ihrem Unternehmen so organisiert und ausgerichtet, dass die Leistungsversprechen der Marke in Richtung internem und externem Kunden erlebbar werden?
Wenn Sie sich nun fragen, was das genau bedeuten soll, dann helfen Ihnen möglicherweise die nachstehenden Beispiele aus dem Alltag bekannter Unternehmen.
- Die Supermarktkette REAL hat lange Zeit geworben mit dem Slogan „Einmal hin. Alles drin“. Diese Botschaft soll das umfangreiche Warensortiment hervorheben und dem Kunden suggerieren, dass er für die Dinge des Alltags mehr als REAL nicht braucht. Diese Botschaft weckt hohe Erwartungshaltungen beim Verbraucher – nämlich dass all seine Bedarfe durch Vorrätiges gedeckt sind bzw. werden können und dass natürlich auch das bereitgestellte Personal entsprechend hilfreich und kundig über das Sortiment Auskunft geben kann. Ein Tipp an dieser Stelle: Versuchen Sie bei Ihrem nächsten REAL-Besuch doch mal, ein ledernes Brustbeutel-Portemonnaie für den Schulausflug Ihres Kindes zu erwerben. „Mein“ REAL und ich sind an dieser Herausforderung gemeinsam gescheitert…
- Der Mobilfunk-Discounter Simyo verwendet seit Langem die Aussage „Weil einfach einfach einfach ist“. Welche Erwartungen weckt nun ein solches Leistungsversprechen beim Kunden? Zumindest wohl die, dass es einfach sein muss, mit Simyo in Kontakt treten zu können; dass es einfach sein muss, etwaige Probleme einfach und bequem zu klären; dass es einfach sein muss, auf Anhieb den richtigen Ansprechpartner für seine Fragen zu bekommen; dass jede Beratung einfach und verständlich für den Kunden erfolgt. Und welche Erwartungshaltungen weckt ein solches Leistungsversprechen bei den eigenen Mitarbeitern? Die vorhandenen Prozesse müssen es den Mitarbeitern einfach machen, Fragen der Kunden zu beantworten und etwaige Probleme einfach und bequem zu klären. Die zur Verfügung gestellten Systeme müssen ein einfaches Handling der Kundenanliegen ermöglichen und im Optimalfall auch einfach in der Bedienung sein. Das Klären eigener Anliegen als Mitarbeiter innerhalb der Organisation muss ebenfalls einfach sein. Einfachheit ist das zentrale Kriterium im gesamten Organisationaufbau, und jetzt fragen Sie sich bitte: Wird es bei Simyo genau so sein wie beschrieben? Simyo ist für seine hohe Kundenzufriedenheit mehrfach ausgezeichnet – wie übrigens alle anderen Anbieter im Markt ebenfalls. Doch wenn Sie als Kunde mit einem Anliegen zu Simyo kommen, werden Sie auch dort bisweilen die Erfahrung machen, dass einfach manchmal gar nicht so einfach ist.
- Der Versicherer ERGO wirbt mit dem Claim „Versichern heißt verstehen“ und hat mit einer darauf ausgerichteten Werbekampagne im deutschen Fernsehen viel Aufmerksamkeit gewinnen können. Die Darstellung der eigenen Philosophie ist darauf ausgerichtet, wegzukommen von der komplizierten Versicherungssprache. Weg von den unzähligen und kaum zu durchdringenden Formularen. Weg von kundenseitig unbekannten Paragraphen und hin zu einer einfachen Kommunikation und Bearbeitung. Hin zu einer klaren Ausrichtung auf das, was der Kunde möchte. Der Kunde bestimmt den Prozess und die Dienstleistung – eine tolle Botschaft und ein verheißungsvolles Leistungsversprechen, dem ERGO laut Kundenurteil mittlerweile immer besser nachkommt. Doch gerade zu Beginn der Kampagne generierte ERGO genau so viel Aufmerksamkeit im Internet wie im Fernsehen. Leidgeplagte Kunden hatten Live-Mitschnitte ihrer Gespräche mit Service-Centern aufgezeichnet und online gestellt. Deren Inhalte waren leider völlig konträr zum Leistungsversprechen der Marke: komplexe Dialoge, unverständliche Inhalte, unverständige Mitarbeiter und definitiv kein Kunde, der im Mittelpunkt stand.
Was sollen diese Beispiele zeigen? Sie zeigen, dass ein Leistungsversprechen einer Marke sich auch in der Realität wiederfinden muss. Denn jedes Versprechen weckt Erwartungshaltungen und sollte im Sinne einer Wertgebundenheit eingelöst werden. Dieses Einlösen eines Leistungsversprechens gelingt allerdings nur, wenn ich die Marke und ihre Botschaft als kulturgebendes Element begreife und die eigene Organisation in Allem bestmöglich auf das reale Erleben und Vermitteln der Markenbotschaft nach innen und nach außen konsistent ausrichte.
Machen Sie an dieser Stelle doch einfach mal den Test für Ihre eigene Organisation, und beantworten Sie sich folgende Fragen:
- Ist die Organisationsform Ihres Unternehmen (Unternehmens-, Bereichs-, Schnittstellen-, Kompetenz- und Entscheidungsarchitektur) darauf ausgerichtet, Markenbotschaften erlebbar zu transportieren? Oder haben sich diese Architekturen historisch entwickelt, ohne dass die Marke mit ihren zentralen Botschaften eine (mit-)bestimmende Rolle gespielt hat und spielt?
- Stehen interne Leitbilder und Werte-Sets im Einklang mit dem Leistungsversprechen der Marke? Oder sind solche Instrumente und Orientierungspunkte losgelöst voneinander durch unterschiedliche Verantwortungsträger entwickelt worden?
- Sind die Prozesse (Prozessarchitektur) in Ihrem Unternehmen so definiert, dass sie den erlebbaren Transport von Markenbotschaften fördern? Oder existieren Prozesse, die ein Handeln gemäß Markenbotschaft eher behindern?
- Ist die eingesetzte Technologie (ITK-Infrastruktur) darauf ausgerichtet, den erlebbaren Transport von Markenbotschaften über alle verfügbaren Kanäle zu unterstützen? Oder sind bei Aufbau und Implementierung dieser Struktur als ausschließliche Kriterien Funktionalität, Stabilität, Anwenderfreundlichkeit und Sicherheit angelegt worden?
- Kennen die Mitarbeiter und Führungskräfte die zentralen Botschaften Ihrer Marke und wissen sie, was diese Botschaften für den jeweils eigenen Arbeitsbereich bedeuten (z.B. Buchhaltung vs. Service)? Oder ist es eher wahrscheinlich, dass die meisten Mitarbeiter keine einheitliche Einschätzung zu den zentralen Markenbotschaften abgeben können?
- Sind Ihre Mitarbeiter im Service (und Vertrieb) darauf trainiert, Markenbotschaften im persönlichen Kundenkontakt erlebbar zu kommunizieren? Oder lernen Ihre Mitarbeiter vorrangig klassische Inhalte zur kundenorientierten Kommunikation?
- Sind Ihre Führungskräfte darauf trainiert, Markenbotschaften im persönlichen Mitarbeiterkontakt erlebbar zu vermitteln? Oder lernen Ihre Führungskräfte eher bestimmte Führungstechniken und -lehren (z.B. situatives Führen, transformationales Führen etc.) ohne die Fokussierung auf die Notwendigkeit von Markenbotschaftertum auch in der Führung?
- Ist Ihr Recruitment-Prozess darauf ausgerichtet, Markenpassung und -potenzial bei Bewerbern zu identifizieren? Oder finden Auswahl und Onboarding/Integration nach standardisierten Kompetenzmodellen und Aufgabenbeschreibungen statt?
- Sind die Anreizsysteme in Ihrem Unternehmen ausgerichtet auf die zentralen Markenbotschaften und deren Implikationen? Oder werden Anreize und Incentivierungen bei Ihnen in der Organisation eher nach klassischen Kriterien bewertet und vergeben (Qualität, Quantität, Effektivität und Effizienz)?
Wenn Sie sich eingehender mit diesen Fragen beschäftigen, werden Sie feststellen, dass es voraussichtlich auch in Ihrer Organisation keine konsequente Markenausrichtung gibt. Und auch wenn in der Markenkultur einer Organisation eine hundertprozentige Konsistenz in allen relevanten Facetten vermutlich als unrealistisch zu bezeichnen ist, so ist es für jedes Unternehmen/jede Marke zwingend anzuraten, regelmäßig und konsequent das Fitting zwischen dem, „wie wir vorgeben, zu sein“ (Markenversprechen), und dem, „wie wir Dinge tun“ (Markenkultur), zu überprüfen und zu managen.
Nun bleibt zu guter Letzt die Frage offen, wie Sie sich einer kulturellen Markenkonsistenz im ersten Schritt einfach und selbständig nähern können. Vier Empfehlungen an dieser Stelle:
- Fragen Sie in der nächsten Woche zehn Mitarbeiter aus Ihrer Organisation nach den zentralen Leistungsversprechen Ihrer Marke/Ihres Unternehmens und vergleichen Sie die Antworten danach mit den Aussagen Ihres Marketings und Ihren eigenen Antworten. Sie werden aller Voraussicht nach feststellen, dass es kein einheitliches Verständnis in Ihrer Organisation gibt.
- Fragen Sie in der übernächsten Woche zehn Mitarbeiter aus Ihrer Organisation, inwieweit diese glauben, dass Kunden das Leistungsversprechen Ihrer Marke/Ihres Unternehmens im Kontakt auch wirklich eingelöst bekommen. Und fragen Sie diese zehn Mitarbeiter auch danach, inwieweit sie selbst das Markenversprechen in der eigenen Organisation umgesetzt erleben. Sie werden aller Voraussicht nach feststellen, dass Ihre Mitarbeiter hier Differenzen sehen.
- Fragen Sie in der Woche darauf zehn Kunden, inwieweit diese die zentralen Leistungsversprechen (auf Basis der Aussagen vom Marketing) im persönlichen Kontakt mit Ihrer Marke/Ihrem Unternehmen wirklich erleben. Sie werden aller Voraussicht nach feststellen, dass allein diese zehn Kunden Ihnen sehr wertvolle Hinweise geben werden.
- Werten Sie in der darauffolgenden Woche die Ergebnisse zu den Fragen aus den vorangegangenen Wochen aus, und fragen Sie sich selbst: Welche Möglichkeiten zur konsistenteren Ausrichtung der Markenkultur in Ihrer Organisation können von Ihnen selbst bearbeitet und umgesetzt werden? Was brauchen Sie dafür? Sie werden aller Voraussicht nach echten Handlungsbedarf erkennen, aber aufgrund Ihrer eigenen Ressourcensituation Unterstützung benötigen.
MUUUH! Consulting hat sich in den vergangenen Jahren für viele Unternehmen als starker und verlässlicher Partner bei der kulturellen Analyse von Organisationen bewährt. Mit unserem standardisierten Vorgehen in der Analyse unterstützen wir zielgerichtet und professionell die stärkere Harmonisierung von Organisation und Markenbotschaft.
- Initialisierung: Entwicklung und Operationalisierung Framework Markenbotschaft (zentrale Botschaften/ Versprechen der Marke und ihre Unterkriterien und Operationalisierungen)
- Erhebung: Datenerhebung, Befragungen und Interviews unter internen und externen Stakeholdern auf Basis des entwickelten Frameworks (Wie viel Marke steckt in der Organisation aus Sicht der Mitarbeiter, der Führungskräfte, der Kunden? etc.)
- Analyse: Gap-Analyse zur Identifizierung von kritischen Differenzen zwischen Markenbotschaft und Ist-Zustand (Design-Gap, Delivery-Gap und/oder Perception-Gap)
- Empfehlung: Entwicklung von Handlungsempfehlungen und Interventionsdesigns
- Umsetzung: Umsetzungsplanung, Umsetzungsbegleitung und Umsetzungscontrolling
Wenn auch Sie als Unternehmen eine konsequentere Ausrichtung Ihrer Organisation auf das Einhalten der Leistungsversprechen Ihrer Marke anstreben und einen gezielten Austausch dazu wünschen oder gar eine begleitende Unterstützung, dann freuen wir uns sehr auf und über Ihre Kontaktaufnahme.
Matthias Schulte
Telefon: +491703736886
E-Mail: matthias.schulte@muuuh.de