Live Chat vs. Messaging im Kundenservice – Artverwandt aber grundverschieden

Zitronen und Limetten liegen getrennt in einer Box

Live Chat

Da Live Chat vom Prinzip her dem Telefonieren sehr ähnlich ist, bezeichnen wir es gerne als geschriebenes Telefonieren. Dieses Bild hilft zu verdeutlichen, dass Live Chat im Kern ein synchroner, text-basierter Austausch zwischen den Teilnehmern im Rahmen einer gemeinsamen Session ist. Kunden und Chat-Agents schreiben also in Echtzeit für eine bestimmte Dauer miteinander. Der Austausch beschränkt sich üblicherweise auf Text und Emojis, während der Austausch von Bildern und anderen Medientypen im Live Chat eher die Ausnahme ist.

Live Chat technisch betrachtet

In der Regel ist ein Live Chat eine Software-as-a-Service-Lösung, die sich mittels Code Snippet sehr schnell auf jeder Unternehmenswebsite oder Webapplikation integrieren lässt. In der Software selber können Unternehmen unterschiedlichste Anpassungen und Individualisierungen vornehmen. So lässt sich das Design der Live-Chat-Elemente variieren oder die Ausspielungsart vom subtilen Button zum progressiven Overlay ändern.

Live Chat – Einsatzszenarien und Eigenheiten

Auf der Unternehmenswebseite bereichert ein Live Chat die Customer Journeys in Echtzeit. Anbieter können ihren Kunden per Chat sofortige Hilfestellung leisten und etwa Fragen zum Registrierungsprozess oder zum Warenkorb beantworten. Ein signifikantes Merkmal des Live Chats ist die Kurzlebigkeit des Dialoges, der immer auf einer Session basiert: Sobald der Kunde den Chat beendet, ist die Chathistorie für ihn nicht mehr einsehbar. Dies müssen insbesondere Kunden auf mobilen Endgeräten bedenken. Wen sie während des Austauschs versehentlich die Webseite des Anbieters verlassen oder das Netz abbricht, bricht auch der Chat ab.

Unternehmen können nach Bedarf Situationen und Kundengruppen definieren, in denen ein Chat-Agent Webseitenbesucher aktiv ansprechen soll. Das klassische Szenario für ein solches Behavioral Targeting ist, solche Kunden per Chat durch den Checkout-Prozess zu begleiten, die mit einem gut gefüllten Warenkorb seit längerer Zeit untätig vor der Kasse stehen. Aus diesen Parametern kann ein Algorithmus gebildet werden, um nur Kunden zu adressieren, die dem definierten Muster entsprechen. Nur diese Kunden erhalten dann künftig aktive Unterstützung aus dem Live-Chat-Team. Synchronizität ist Stärke und Schwäche Der 1:1-Dialog in Echtzeit per Chat hat aber auch seine Grenzen. Außerhalb der Dienstzeiten sind Chat-Agents nicht verfügbar, und während der typischen Auslastungsspitzen im Tagesverlauf kann es zu Service-Engpässen kommen. Das Angebot des Live Chats ist also an die Servicezeiten gekoppelt und hängt von der Verfügbarkeit eines freien Chat-Agents ab. Hier entpuppt sich der synchrone Charakter des Mediums Chat auch als dessen limitierender Faktor.

Messaging

Eine weniger zeitsensible Ergänzung zum streng synchronen und sessionbasierten Chat ist das Messaging. Messaging kann sowohl synchron als auch asynchron zwischen den Dialogpartnern durchgeführt werden. Die Erfindung der Push-Nachricht auf mobilen Endgeräten hat die Attraktivität des Messagings erheblich gesteigert: Nach dem Versand einer Messagingnachricht erwarten die Kunden nicht zwangsläufig direkt eine Antwort. Bleibt diese unmittelbar aus, wissen sie, dass sie per Push-Nachricht automatisch über das Eintreffen der Antwort informiert werden. Damit lässt sich Messaging flexibel in den Alltag integrieren. Der Kunde ist nicht an Servicezeiten gebunden und kann sein Anliegen auch außerhalb der Öffnungszeiten platzieren. Er entscheidet nicht zuletzt, ob er sein Anliegen als Text- oder Voice-Nachricht übermittelt.

Messaging individuell

Zu den bekannten Messenger-Diensten gehören WhatsApp, der Facebook Messenger oder – im asiatischen Raum – WeChat. Unternehmen sollten solche Dienste auswählen, die innerhalb ihrer Zielgruppe Popularität genießen und eine relevante Abdeckung erzielen. Im Idealfall erreichen sie den einzelnen Kunden über seinen jeweils favorisierten Kanal. Der Zugang zu den Kanälen kann auch über andere Touchpoints wie die Website oder den QR-Code hergestellt werden.

In-App-Messaging

Verfügt ein Unternehmen über eine firmeneigene App, kann es ergänzend oder alternativ zu den genannten Messengern dort ein eigenes Messaging-Modul integrieren. Das In-App-Messaging bietet eine konsistente und friktionslose User Experience und erspart dem bereits registrierten Kunden und App-Nutzer weitere Anmeldeprozesse. So kann ein Kundenservicemitarbeiter beispielsweise von einem Kunden im Hintergrund zur seiner gestellten Anfrage über einen zuvor technisch definierten Payload eine Reihe an nützlichen Informationen erhalten, die dabei helfen die Anfrage effizienter und für den Kunden komfortabler zu beantworten.

On Domain Messaging

Relativ neu ist das von einigen Live-Chat-Software Anbietern angebotene On Domain Messaging, das via Widget auf der Unternehmenswebsite abgebildet wird. Während der Öffnungszeiten erfolgt die Konversation zwischen Kunden und Kundenservicemitarbeitern synchron. Außerhalb der Servicezeiten oder bei einer Vollauslastung der eingesetzten Agenten, können Kunden eine Nachricht hinterlassen und somit asynchron mit dem Unternehmen kommunizieren. Im Gegensatz zum Messaging via WhatsApp & Co. bedarf es beim On Domain Messaging natürlich noch eines Identifiers, der es ermöglicht, den Kunden auch außerhalb der aktiven Session auf der Website zu erreichen. Bei WhatsApp & Co. greift man hierfür auf den bestehenden Account des Nutzers und den jeweiligen Messagingdienst selbst zurück. Beim On Domain Messaging wird in der Regel nach einer E-Mail-Adresse des Nutzers gefragt. Sobald das Unternehmen geantwortet hat, erhält der Kunde eine E-Mail. Sie holt den Kunden zurück auf die Unternehmenswebseite, wo die Konversation nahtlos fortgesetzt wird. Da sowohl die Abfrage der E-Mail selbst, als auch die notwendige Wiederaufnahme der Session durch den Kunden in der empfangenen Mail eine Friktion darstellt, wird es interessant zu beobachten sein, ob sich das On Domain Messaging langfristig durchsetzen wird.

Bessere Auslastung für das Service Center

Im Contact Center birgt Messaging große Potentiale für eine gute Auslastung der Agents. Sinkt das Call- und Chatvolumen, können die Mitarbeiter die eingegangenen Messages priorisiert abarbeiten. Umgekehrt können Messaging-Agents die Kollegen im Live Chat unterstützen, wenn dort Hochbetrieb herrscht, und ihre eigenen Messenger-Aufgaben auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Dieser natürliche Mechanismus sorgt für einen gleichmäßigeren und effizienteren Einsatz der vorhandenen Manpower.

Abweichende KPIs

Während im Live Chat der Anfang und das Ende des Dialogs über den Sessionbeginn und das Sessionende klar definiert werden können, kann sich ein Messaging Dialog über Stunden oder sogar Tage hinziehen. Um die Average Handling Time eines Kundenanliegens im Messaging zu erfassen, müssen Schwellwerte (z.B. durch Inaktivität des Kunden oder eine maximale Vorgangsdauer) definiert werden. Ein direkter Vergleich der AHT von Chat und Messaging bleibt aber auch nach Festlegung und Anwendung solcher Schwellwerte ein Vergleich von Äpfeln und Birnen. Auch für die First Response Time und die verwendete Anzahl von Zeichen pro Nachricht sind direkte Vergleiche nicht immer sinnvoll.

Messaging vs. Chat – ein Fazit

Live Chat und Messaging sind zwei Kundenservicekanäle mit einigen Gemeinsamkeiten, allerdings auch erheblichen Unterschieden. Aus der Perspektive vieler Serviceorganisationen sind beide Kanäle innovativ und digital. In der Konsequenz wird beides gerne über einen Kamm geschoren; ein Fehler! Die individuellen Stärken und Schwächen beider Kanäle sollten im Hinblick auf den zu bewerkstelligenden Use Case im Kundenservice berücksichtigt werden. Soll etwa eine Steigerung der Conversionrate und Erhöhung der Warenkorbvolumens in einem Webshop erzielt werden, wird fast immer der Live Chat der richtige Kanal sein. Habe ich hingegen einen hochfrequentierten Onlinekundenservice mit erheblichen Peaksituationen, und zugleich meiner Unternehmenswebsite als Touchpoint, bietet sich das On Domain Messaging an. Externe Messenger wie WhatsApp sind als komplementäre Touchpoints zu meiner Website insbesondere dann spannend, wenn regelmäßige Interaktionen zwischen Kunden und Unternehmen stattfinden. Der komplementäre Charakter und der recht ähnliche Anspruch an die Mitarbeiter-Skills machen Live Chat und Messaging insbesondere auch zu einem idealen Dialoggespann, welches sich als effizientes Doppelformat anbieten kann.

Ansprechpartner

Ben Ellermann

Managing Director MUUUH! Next
Ben Ellermann war bereits vor dem Facebook Hype für das Soziale Netzwerk stayblue.de in verschiedenen Spezialisten- und Führungsrollen der Bereiche...

E-Mail: ben.ellermann@muuuh.de

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