Kundenkontakt heute: Qualität geht vor!

Eine Studie von BearingPoint (2018) zeigt auf, was viele Manager:innen und Operative aus Service- und Sales-Einheiten genauso wie zahlreiche Marktexpert:innen und Berater:innen bestätigen: für 75 Prozent aller Kund:innen bleibt bei allen Vorteilen der Digitalisierung der persönliche Kontakt mit den Unternehmen hoch-relevant, und die Erwartungen der Kund:innen an diese Kontakte steigen zudem. Gerade die Ansprüche an fachliche und sozial-kommunikative Qualität wachsen und dominieren die Erwartungen der Kund:innen. Und wenn das so ist, dann ist die Qualität im persönlichen Kundenkontakt relevanter als je zuvor – während in den Unternehmen der Fokus auf neue Technologien, neue Medien und neue Kanäle alles bestimmt und die Aufmerksamkeit für die reale Gestaltung von persönlichen Kundenkontakten nur noch reduzierter vorhanden ist und Budgets für die Qualitätssicherung auf einem gerade notwendigen Basis-Sockel verbleiben. Und das, obwohl die Qualität eines persönlichen Kontakts immer noch maßgeblich darüber entscheidet, ob ein Kunde/eine Kundin Bindungs- und Loyalitätsbereitschaft entwickelt.

Allein der Blick auf die relevanten Perspektiven der Qualität im Kontext des Kundenmanagements zeigt, wie komplex dieses Thema zu greifen, und wie sensibel und intensiv es dementsprechend zu betreuen und zu steuern ist.

Sechs Perspektiven auf Qualität

1. Das Qualitätsverständnis der Organisation

Jedes Unternehmen hat - und muss haben - ein eigenes Verständnis von Qualität im Kundenkontakt. Unabhängig von Kundenbefragungen und vergleichbaren Feedbackquellen ist es relevant, dass Unternehmen für Kundenkommunikation und Kundenprozesse ein Leitbild für Qualität entwickeln, implementieren und überwachen, das der Organisation in Gänze eine Orientierung gibt und das Ausdruck von Anspruch und Selbstverständnis ist. Dieses übergeordnete Qualitätsverständnis ist häufig gespeist aus den verbleibenden fünf Perspektiven, geht aber bei Unternehmen in führenden Marktpositionen häufig auch darüber hinaus.

2. Das Leistungsversprechen der Marke

Jede Marke will Assoziationen und Vorstellungen beim Kunden/bei der Kundin wecken, die ihn/sie davon überzeugen sollen, sich loyal an diese Marke zu binden. Innerhalb einer jeden Markenpositionierung werden damit aber auch klare Leistungsversprechen an den Kunden/die Kundin gegeben, die es konsequent einzuhalten gilt. Jeder Prozess am Kunden/an der Kundin und jedes Verhalten gegenüber dem Kunden/der Kundin muss dieses Leistungsversprechen einer Marke erlebbar machen und erfüllen. Jeder Prozess und jeder Mitarbeiter/jede Mitarbeiterin ist damit Markenbotschafter im Kundenkontakt und trägt die Verantwortung dafür, ob Kund:innen eine Marke auch so erleben, wie es eine Marke im Vorfeld auch versprochen hat.

3. Allgemeine Bedürfnisse und Motive von Kund:innen

Auch wenn wir gerade in nahezu allen Branchen erleben, wie massiv sich das Kundenverhalten verändert, so sind die psychologischen Motive hinter diesem Verhalten schon seit Generationen gleich und unverändert. Daher sind diese Kundenmotive auch ohne explizite Messsystematik bekannt und müssen sich in jedem Prozess- und jeder Verhaltenserfahrung für Kund:innen erlebbar wiederfinden:

  • Individualität: Wir leben in der Dekade der Individualisierung und Selbstoptimierung. Kund:innen wollen individuell und persönlich behandelt und betreut werden; das Gefühl einer unpersönlichen Massenabfertigung beeinträchtigt eine Beziehung nachhaltig negativ und gefährdet deren Stabilität.
  • Einfachheit: Kund:innen wollen es leicht, einfach und bequem haben. Die einfachste Übersetzung von Kundenorientierung ist, es dem Kunden/der Kundin so leicht wie möglich zu machen, mit Unternehmen in Kontakt treten und Anliegen klären zu können.
  • Geschwindigkeit: Kund:innen wollen ihre Anliegen grundsätzlich schnell beantwortet und gelöst wissen.
  • Anerkennung: Kund:innen wollen vielleicht nicht unbedingt ein “König” oder eine “Königin“ sein, sie wollen aber neben der Individualität das Besondere spüren und sich rundum wertgeschätzt fühlen.
  • Verlässlichkeit: Kund:innen wollen das Gefühl der Zuverlässigkeit und der Verbindlichkeit und dementsprechend die Gewähr, dass gegebene Zusagen eingehalten werden und jegliche Aussage und Ankündigung belastbar sind.
  • Mehrwert: Kund:innen wollen Vorteile genießen. Sie wollen entweder das Gefühl haben, etwas zu sparen oder mehr zu bekommen. Und auch wenn ein Kunde/eine Kundin psychologisch betrachtet eher dazu neigen wird, ein Risiko zu vermeiden, als eine Chance zu nutzen, so sind beide Aspekte – das “Vermeiden” und das “Nutzen von” – relevante Erwartungshaltungen, welche die Zufriedenheit und die Bindungsbereitschaft von Kund:innen beeinflussen.

4. Spezifische Erwartungen der Kund:innen

Neben den allgemeinen Erwartungen und Motiven von Kund:innen sind natürlich auch die spezifischen relevant. Umso entscheidender ist es, dass Organisationen über eine kontinuierliche und Touch-Point-bezogene Befragungslogik systematisch Kundenfeedback einholen und in agilen und mandatierten Closed-Loop-Prozessen in die Organisation tragen. Eine Philosophie der kontinuierlichen Verbesserung ist in Zeiten der Agilität noch mehr von Bedeutung und kann ohne Feedbackprozesse nicht ernsthaft betrieben werden.

5. Gesellschaftliche Megatrends

Neben den eigenen Überzeugungen von Qualität spielen aus Sicht einer Organisation oder aus Sicht von Kund:innen auch die gesellschaftlichen Megatrends eine immer entscheidendere Rolle. Diese Megatrends beeinflussen die Erwartungen und Vorstellungen von Kund:innen. Und sie zwingen Unternehmen, sich schnell und konsequent mit den Auswirkungen auf die eigene Organisation und auf das Management von Kundenbeziehungen zu beschäftigen und notwendige Evolution zu betreiben.

  • Digitalisierung: Unsere Welt wird immer digitaler, die Erwartungen von Kund:innen an digitale Angebote - neben den Möglichkeiten für persönlichen Kontakt - steigen. Unternehmen, die hier wertvolle Zeit verlieren, weil interne Diskurse über Möglichkeiten und Ressourcen in der IT, Einschränkungen und Hindernisse in Datenschutz und Regulatorik sowie Sinn und Budget in Bezug auf konkrete Maßnahmen langatmig und unentschieden geführt werden, geraten zunehmend ins Hintertreffen und werden von neuen oder kreativen bestehenden Marktteilnehmern unter Druck gesetzt.
  • Nachhaltigkeit: Wir leben in der Dekade der „Sustainability“. Nachhaltigkeit und im Speziellen die Ausrichtung an den bindenden ESG-Kriterien werden zunehmend zum Hygiene-Faktor in der Kund:innenbeziehung und haben nicht nur Impact auf Produktionsketten, sondern auch auf die Markenwirkung und damit direkt auf das gewünschte Verhalten von Mitarbeiter:innen im Kund:innenkontakt.
  • Gender War: Wir leben im Zeitalter des Gender Wars, in der geschlechtliche wie auch gesellschaftliche Unterschiede in Verhalten, Wort und Schrift nicht mehr erkennbar sein dürfen. Aktuell etablierte Verhaltensmuster werden endlich und längst überfällig aufgebrochen. Das neue Verhalten gegenüber dem Kunden/der Kundin muss vermittelt und trainiert werden.
  • Silver Society: 50 ist das neue 30! Klassische Perspektiven auf die Erwartungen und Wünsche der Kund:innen gesetzteren Alters greifen nicht mehr; die Übersetzung von generativen Werten muss neu geschrieben und neues Denken zu unterschiedlichen Altersgruppen von Kund:innen in Unternehmen neu vermittelt und implementiert werden – in Prozess, Verhalten und in Angeboten.
  • Connectivity and Mobility: Unsere Welt ist verbunden, vernetzt, und sie ist mobil. Kund:innen wollen ihre Beziehung zu Unternehmen selbst bestimmen und gestalten – in Inhalt, Ort und Zeit. Kontaktoptionen, Responseanforderungen und Bearbeitungsprozesse müssen in Unternehmen dementsprechend darauf ausgerichtet werden, denn auch hier entscheidet sich maßgeblich die Qualitätsbewertung von Kund:innen. Es darf somit nicht nur in Digitalisierung oder Kontaktvermeidung gedacht werden, sondern es müssen auch Optionen für und Anforderungen an den persönlichen Kontakt berücksichtigt werden.
  • Individualisierung: Der Trend der Individualisierung und Selbstoptimierung nimmt immer intensivere Konturen an, doch steht er bereits in langer Tradition, da er auf einem psychologischen Motiv fußt (siehe oben), das schon lange existent ist, sich aber erst mit den gesellschaftlichen Veränderungen der modernen Zeit intensiver Bahn bricht.

6.    Markt & Wettbewerb

Die letzte relevante Perspektive auf Qualität liefern der eigene Markt bzw. auch angrenzende Märkte und der Wettbewerb. Da es den „Blue Ocean“ für die wenigsten Unternehmen gibt, ist die aufmerksame Beobachtung von Trends in eigenen Märkten und die sensible Betrachtung des Wettbewerber-Verhaltens relevant.  Entscheidend ist daher, sich regelmäßig diesem Druck zu stellen, sich mit dem Markt zu messen und (auch) in Bezug auf Qualitätsverständnis und gelieferter Qualität kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Die sechs Perspektiven im Überblick

1. Das Qualitätsverständnis der Organisation

2. Das Leistungsversprechen der Marke

3. Allgemeine Bedürfnisse und Motive von Kund:innen

4. Spezifische Erwartungen der Kund:innen

5. Gesellschaftliche Megatrends

6. Markt & Wettbewerb

Damit Qualität kein Zufall ist

In der Gesamtbetrachtung wird deutlich, wie umfassend und sensibel Qualität im Kundenkontakt für Unternehmen ist. Unternehmen brauchen umso mehr die volle Konzentration auf ihre Qualität am Kunden. Und sie brauchen dementsprechend funktionierende und wirksame Prozesse und Instrumente der Qualitätssicherung - damit Qualität kein Zufall ist.

Mehr Qualität im Kundenkontakt ist plan- und steuerbar. Wenden Sie sich für einen ersten unverbindlichen Austausch gerne direkt an uns.

Ansprechpartner

Matthias Schulte

Partner
Seit Anfang 2000 ist der diplomierte Psychologe fester Bestandteil des Teams von MUUUH! Consulting. Er berät und begleitet bis heute...

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